3. DSLV Podiumsdiskussion 27.9.2016 – Schwimmunterricht – Anspruch und Notwendigkeit im Gegensatz zur Wirklichkeit

Manhard Miehlke, Michael Tholund, Gerwin Stöcken, Achim Rix, Steffen Weber, Thies O. Wolfhager, Holger Bull (von links)

Am 27.9.2016 diskutierten im Rahmen des 24. DSLV Sportlehrertages, der in Kooperation mit dem IQSH im Sportforum der CAU durchgeführt wurde

Holger Bull,                          Leiter des IQSH-Schwimmausbildungsteams

Manhard Miehlke,                Landesfachberater Sport, IQSH

Gerwin Stöcken,                  Stadtrat für Soziales, Gesundheit, Wohnen            

                                               und Sport der Stadt Kiel

Michael Tholund,                 Ministerium für Schule und Berufsbildung

                                               Schleswig-Holstein, u.a. Lehrerbildung

Steffen Weber,                      Präsident des Landesschwimmverbandes

Thies O. Wolfhagen,            Landesgeschäftsführer der DLRG Schleswig-

                                               Holstein

Die Moderation hatte Achim Rix, 1. Vorsitzendes des DSLV – SH.

Achim Rix hob in der Einleitung die Bedeutung von Schwimmunterricht hervor. Mit Bezug auf die vom Robert-Koch-Institut, Berlin, herausgegebene Studie KIGGS

  •  beugt ‚Schwimmfähigkeit‘ präventiv dem Ertrinken vor
  •  macht Spaß
  •  ist als Sportart bei Mädchen und Jungen beliebt
  •  eröffnet den Zugang zu Freizeit- und Erlebnisorten (alle

             Wassersportarten setzen Schwimmfähigkeit voraus)

  •  ist gesund – hier sind vor allem die positiven Effekte auf die Aspekte

             Kondition / Fitness und Koordination zu nennen und weitere, die

             Folgen von beispielsweise Asthmaerkrankungen, Erkrankungen der

             Gelenke, Übergewicht usw. positiv begegnen.

        Zudem ist das Medium Wasser unter inklusiven Gesichtspunkten für  Menschen mit körperlichen Behinderungen ein optimales Handlungsfeld –  so ergibt sich allein durch das Eintauchen in brusttiefes Wasser und die damit verbundene Einschränkung des Atemvolumens um ca. 9% ein Trainingseffekt ganz zu schweigen von selbsttätigen Handlungsmöglichkeiten, die „an Land“ zum Teil nicht gegeben sind.

Zur Schwimmfähigkeit führt die KIGGS-Studie aus, dass nach Befragung der Eltern oder der Jugendlichen ((„Kann ihr Kind / Kannst du schwimmen?“ und wenn ‚JA‘, „Wann hat / hast du es gelernt?“) sich folgende Ergebnisse ergaben:

  •    von 5- bis 6-jährigen können etwa vier von zehn Kindern schwimmen (39,5 %)
  • bei den 7- bis 10-Jährigen steigert sich dieses auf 85,1 %. Von den 11- bis 17-jährigen Jugendlichen kann nahezu jeder schwimmen (98,0 %). 

  •  Da laut der Studie das Ziel sein sollte, dass möglichst alle Kinder schwimmen können, wenn sie die Grundschule verlassen, zeigt sich bei einem Nichtschwimmeranteil von rund 15 % gerade bei den 7- bis 10-Jährigen Handlungsbedarf. In dieser Altersgruppe fällt zudem auf, dass im Vergleich zu den Mädchen (11,1 %) ein deutlich höherer Anteil der Jungen (18,5 %) nicht schwimmen kann.

Die erste Frage an die Runde lautete: Wann ist ein Kind schwimmfähig?

In der Diskussion wurde hervorgehoben, dass die Abzeichen Seepferdchen und Bronze zwar als messbare Leistungsnachweise hilfreich seien, wesentlicher sei aber, dass die Kinder sich angstfrei im Wasser bewegen können. Eine gute Wassergewöhnung sei wichtiger als ein einseitiger Blick auf „Abzeichen“.

Nach den Fachanforderungen SEK I / II wird ausgeführt, dass jede Schülerin und jeder Schüler spätestens am Ende der Jahrgangsstufe 6 mindestens das Schwimmabzeichen in Bronze erwirbt. Das sei dann im Alter von 11 bzw.. 12 Jahren. Im Memorandum zum Schulsport (2009)  heißt des „Jedes Kind muss am Ende der Grundschulzeit schwimmen können.“  

Wann sollte ‚Bronze‘ erreicht sein? Für welches Alter werden Schwimmkurse angeboten?

Hervorgehoben wurde, dass gerade die professionell angeleitete Wassergewöhnung sehr früh beginnen sollte. Bereits in der KITA, vor allem aber in der Grundschule sollte ‚Schwimmunterricht‘ angeboten werden. Die Schwimmvereine oder auch die DLRG bestätigten für ihre Bereiche eine frühzeitige Förderung.

Die Zahlen zur Schwimmfähigkeit der KIGGS-Studie wurden nach einer reinen Befragung generiert. Ist es wünschenswert, die Abnahme von Schwimmabzeichen statistisch zu erheben?

Von etwa 20000 Kindern pro Jahrgang in Schleswig Holstein würden in den Schwimmvereinen und bei der Wasserwacht ca. 5000 Kinder ein Abzeichen ablegen. Hinzu kämen Leistungsnachweise in den kommunalen Bädern und durch die Schulen. Das ergebe sicherlich nicht die Zahl von 20000. Konkrete Daten wären hilfreich und die Erhebung zu initiieren ein anzugehendes Projekt.

Zur Erteilung von Schwimmunterricht dürfen nur Lehrkräfte mit einer bestimmten Qualifikation (Schwimmlehrbefähigung) eingesetzt werden. Das beinhaltet:

  • eine bestandene Prüfung im Rahmen eines Ausbildungs- oder Studiengangs Sport oder
  • eine erfolgreiche Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung des IQSH
  • bzw. eine Übungsleiter- bzw. Trainerlizenz des Schwimmverbandes.
  • Hinzu kommt der Nachweis der Rettungsfähigkeit (und 1. Hilfe)

Gibt es ausreichend Nachwuchs bei Lehrkräften, in den Schwimmvereinen, bei der DLRG?

Bezogen auf die Schule sei es mehr als problematisch, dass man an einigen Universitäten das Fach Sport studieren könne, ohne eine Qualifikation für Schwimmunterricht zu erwerben. Hier sei eine Initiative auf Bundesebene gefordert. Das IQSH selbst bietet Qualifizierungskurse für Lehrkräfte an, die jeweils ausgebucht seien. Zudem gebe es eine Zusatzqualifikation „Schwimmen mit behinderten Kindern und Jugendlichen“. Auch die Schwimmvereine oder die DLRG könnten noch genügend Nachwuchs für die Schwimmausbildung gewinnen. Eine Tendenz sei, dass diese zunehmend jünger seinen und dadurch zusätzlich Erwachsene eingebunden werden müssten.

Wie gelingt die Inklusion, Integration und das Einbeziehen von sozial benachteiligten Gruppen?

Die KIGGS-Studie stellte heraus, dass  Kinder mit einem niedrigem Sozialstatus  seltener schwimmen können als Gleichaltrige mit hohem Sozialstatus. Diejenigen Kinder aus der niedrigen Statusgruppe, die schwimmen können, haben rund 1,5 Jahre später schwimmen gelernt als Kinder aus der hohen Statusgruppe.

Inklusion, Integration und das Erreichen von sozial benachteiligter Gruppen stellt ein komplexes Themenfeld dar. Hier ist ‚Schwimmen‘ nur ein zu bearbeitendes Feld, insbesondere bei der Armutsbekämpfung. Verschiedene Projekte in den Vereinen zu Inklusion und Integration seien recht erfolgreich. In Lübeck organisiere man auch Schwimmunterricht für DaZ-Klassen. Schulsport würde alle Kinder und Jugendlichen erreichen. Eine Stärkung des Schulsports bzw. von „Schwimmunterricht“ würde entsprechend  positive Effekte bewirken.

Kein Schwimmen ohne Schwimmflächen. Wie sieht es mit dem Schwimmflächenmanagement beispielsweise bei der Stadt Kiel aus?

Durch den Bau des neuen Bades, dass ausdrücklich als Sport- und Freizeitbad konzipiert worden investiere die Stadt ca. 26 Millionen Euro. Gleichzeitig würden andere Schwimmstätten saniert. Daneben mussten andere Flächen aus Gründen ihrer Rentabilität oder weil sie einfach in die Jahre gekommen seien wegfallen. Dass die Freibäder oder auch die Bäder an der Förde von Schulen nicht genutzt würden, stieß auf massives Unverständnis seitens der Stadt.

Wie ist es um die Kooperation aller Beteiligten bestellt?

Eine verbesserte Kooperation der Beteiligten, etwa die Kooperation von Schule und Verein, sei anzustreben. Hier einmal herauszuarbeiten, was strukturell Gelingensfaktoren oder Stolpersteine sind, wurde als Aufgabe gesehen. An die Kommunen geht der Appell, sich beim Thema Schwimmflächen mit den Beteiligten zu verständigen, damit das Erlernen von „Schwimmfähigkeit“ für die Kinder und Jugendlichen gewährleistet werden kann.

Als abschließende Wünsche wurden formuliert:

– Schwimmunterricht im Verlauf der Schule mindestens in der Grundschule, in der Klassenstufe 5/6 und 8/9

– qualifizierte Lehrkräfte vor allem im Bereich der Grundschule

– eine größere Wertschätzung – auch von Schulleitungen – für das Fach

– ausreichen Schwimmflächen – ohne diese geht es nicht.

Die Presseresonanz auf die Diskussion findet sich unter KN-online:

 http://www.kn-online.de/News/Aktuelle-Nachrichten-Schleswig-Holstein/Nachrichten-Schleswig-Holstein/450-Sportlehrer-aus-SH-Der-Sport-von-seiner-besten-Seite

Manhard Miehlke, Michael Tholund, Gerwin Stöcken, Achim Rix (von links)

Steffen Weber, Thies O. Wolfhagen, Holger Bull (von links)

DSLV Podiumsdiskussion Sportunterricht

 

Am 29.9.2015 veranstaltete der Deutsche Sportlehrerverband, DSLV im Anschluss an den Sportlehrertag eine Podiumsdiskussion zum Thema

Sportunterricht – so wichtig wie nie!

Nach drei Kurzvorträgen durch Dr. Susanne Krug vom Robert-Koch-Institut Berlin, RKI, Volker Clasen von der Techniker Krankenkasse und Professor Burkhard Weisser vom Sportinstitut der CAU zu Kiel diskutierten die Vortragenden sowie Anke Erdmann in ihrer Funktion als Vorsitzende des Bildungsausschusses des schleswig-holsteinischen Landtages, Dr. Thomas Riecke-Baulecke, Direktor des Institutes für Qualitätsentwicklung an Schulen in Schleswig-Holstein, IQSH und Jana Jöhnk von der Landesschülervertretung unter der Moderation von Achim Rix, DSLV.

 

 

Frau Krug stellte in ihrem Vortrag Körperliche und sportliche Aktivität von Kindern und Jugendlichen in Deutschland – aktuelle Befunde aus KiGGS heraus, dass durch wissenschaftliche Untersuchungen die positiven Effekte von Sportunterricht vielfach belegt sind:

  • Positive gesundheitliche Effekte (USDHHS 1996; Janssen, LeBlanc 2010)
  • Entwicklung, Verbesserung oder Aufrechterhaltung motorischer Fähigkeiten
  • Erwerb wichtiger sozialer Kompetenzen (Diehl et al. 2014)
  • Persönlichkeitsentwicklung und allgemeines Wohlbefinden (Eime et al, 2013)
  • Körperliche Aktivität und Kognition (Hillman et al., 2015)
  • Kontaktmöglichkeiten außerhalb von Familie, Kita und Schule
  • Möglicher Beitrag zur Integration (BMI 2010)

 

Untersuche man das Bewegungsverhalten von Kindern und Jugendlichen, sei zwischen körperlicher und sportlicher Aktivität zu unterscheiden.

Zur körperlichen Aktivität gehören alle Formen, die einen im Vergleich zum Grundumsatz erhöhten Energieverbrauch beinhalten, also auch aktive Wegstrecken, alle körperlichen Aktivitäten in der Schule oder der Freizeit.

In Abgrenzung dazu seien sportliche Aktivitäten solche, die durch Planung und Wiederholung gekennzeichnet sind, mit dem Ziel der Verbesserung oder dem Erhalt der körperlichen Leistung.

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt für Kinder und Jugendlichen im Minimum eine tägliche körperliche Aktivität von 60 Minuten mit anstrengenden und kräftigenden Anteilen.

Im Weiteren Verlauf beschrieb Frau Dr. Krug das Untersuchungsdesign von KIGGS 1.[1] Zusammenfassend ergibt sich [2]:

Sporttreiben:

  • Mehr als drei Viertel (78%) treiben in ihrer Freizeit Sport, 60% sind in einem Sportverein aktiv.
  • Insgesamt sind Jungen zwar nicht häufiger sportlich aktiv als Mädchen (79% vs. 76%), üben jedoch signifikant häufiger Vereinssport aus (63% vs. 57%). Dies ist insbesondere auf Geschlechtsunterschiede der 14- bis 17-Jährigen zurückzuführen.
  • Bei Mädchen ist in der Altersgruppe der 14- bis 17-Jährigen ein vergleichsweise geringer Anteil in einem Sportverein aktiv.
  • Je niedriger der Sozialstatus, desto geringer ist der Anteil der Jungen und Mädchen, die Sport treiben oder in einem Sportverein aktiv sind.
  • Es besteht kein Unterschied zwischen der Vereinsbeteiligung der 3-10 Jährigen zu KiGGS (59,5%) und der Vereinsbeteiligung zu KiGGS1 (60,4%) (p=0,449).

Körperliche Aktivität:

  • ·       Die körperliche Aktivität der Kinder und Jugendlichen ist insgesamt zu gering.
  • ·       Nur knapp ein Drittel erreichen die Empfehlungen.
  • Dies ist u.a. auf die Dauer der sportlichen Aktivität in der Freizeit als auch auf die körperliche Aktivität und die Häufigkeit sitzender Tätigkeiten im Alltag zurückzuführen.

 

Zusammenfassend kam Frau Dr. Krug zu folgendem Resümee:

  • ·       Kinder und Jugendliche in Deutschland treiben zwar häufig Sport, sind aber in ihrer Freizeit deutlich zu wenig körperlich aktiv.
  • ·       Sitzende Tätigkeiten prägen ihr Freizeitverhalten und stellen unabhängig der körperlichen Inaktivität einen Risikofaktor für die psychische, physische und sozioemotionale Gesundheit dar (Tremblay et al., 2011).
  • ·       Kinder und Jugendliche sollten unabhängig von Alter, Geschlecht und Sozialstatus:
  • Ø  körperliche Aktivitätszeiten im Alltag erhöhen
  • Ø  sitzende Tätigkeiten reduzieren
  • Ø  und Sportzeiten erhöhen.

 

Volker Clasen von der Techniker Krankenkasse bezog sich in seinen Ausführungen auf eine durch die TK in Auftrag gegebene FORSA-Umfrage zur „Mediennutzung bei Kindern und Jugendlichen  Deutschland“. Ergebnisse: [3]

  •      Nur 25 Prozent der Jugendlichen sind mindestens eine Stunde täglich körperlich aktiv.
  • Ebenfalls 25 Prozent verbringen täglich mehr als eine Stunde vor dem Fernseher.
  •  37 Prozent der Jugendlichen surfen täglich mehr als eine Stunde im Internet.
  • 22 Prozent verbringen täglich mehr als eine Stunde mit Computerspielen.
  •    33 Prozent erledigen nach der Schule mehr als eine Stunde Hausaufgaben.

Differenziert betrachtet ergibt sich:

  • Etwa 75 Prozent der Jugendlichen in Deutschland bewegen sich zu wenig.
  •    Zeitvertreib mit Fernsehen, Smartphone oder Computer ist beliebter als Bewegung.
  • Geschlechterunterschied: Fernsehen und Netzwerken ist Mädchen und Jungen gleichermaßen wichtig,
  • Computerspiele sind dagegen eher „Jungsthema“ und
  • Mädchen verbringen deutlich mehr Zeit mit Hausaufgaben oder Lesen.

 

Die Effekte eines derart bewegungsarmen Alltags bleiben nicht ohne gesundheitliche Folgen. 26 Prozent leiden unter Kopfschmerzen.

  •  Über 30 Prozent leiden an Konzentrationsschwierigkeiten.
  •     20 Prozent leiden an Rückenschmerzen.
  •    18 Prozent sind häufig schlapp und müde.
  •  Der Vergleich zeigt, dass Kinder mit einemaktiveren Alltag weniger Beschwerden haben als Altersgenossen mit weniger Bewegung.

 

Ein Bewusstsein für diese Misere scheint bei den befragten Eltern vorhanden zu sein, ohne dass sie in der Summe über erfolgreiche Strategien zur Intervention für eine bewegungsaktivere Lebensführung verfügen.

 

Die Technikerkrankenkasse unterstützt mit namhaften Beträgen Projekte und Initiativen für eine Bewegungsförderung in KITA und Schule.[4]

 

Professor Weisser bezog sich in seinem Kurzvortrag zum Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität, Fitness und kognitiver Leistungsfähigkeit auf ausgewählte Studien.

  • Der Deutsche Kinder und Jugendsportbericht verzeichne zwischen 1975 und 2000 einen durchschnittlichen Rückgang der körperlichen Leistungsfähigkeit von Schülerinnen und Schüler von 10% in den Bereichen Ausdauer, Koordination und Kraft.
  • Die kardio-vaskulare Fitness im Jugendalter korreliert hoch auch im Langzeiteffekt mit Aspekten der Intelligenz (globale, verbale, logische Intelligenz).
  • Körperliche Interventionen zur Fitness zeigen deutlich positive Effekte auf den Hippocampus, der Region, die u.a. für Gedächtnisleistungen verantwortlich ist. Das zeigte sich im Vergleich mit einer Kontrollgruppe, die solche Interventionen nicht erhielt.
  • Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistungen von Schülerinnen und Schülern in den 5. bzw. 6. Schulstunden sind dann im Vergleich zu einer Kontrollgruppe signifikant besser, wenn in den Stunden davor eine Sportstunde mit körperlich aktivierender Intervention lag.

Zusammenfassend kommt Professor Weisser zu dem Fazit:

  •    Interventionen mit Aktivitätssteigerung verbessern die schulische Leistung (in den anderen Fächern)
  • Fitness ist der entscheidende Punkt.

 

In der Diskussion waren sich die Teilnehmenden hinsichtlich der Bedeutung von Bewegung, Spiel und Sport einig.

Achim Rix betonte, dass der DSLV nicht das Fach Sport gegenüber anderen Fächern ausspielen wolle, wohl aber den Stellenwert berücksichtigt wissen wolle, der wie die Vorträge noch einmal veranschaulicht hätten, eindeutig über das Fach hinausreiche. Wenn die WHO- Mindestempfehlung von einer Stunde Aktivität mit mäßig bis sehr anstrengender Intensität nicht erreicht werde, habe das erhebliche gesellschaftspolitische Auswirkungen. Nach BÖS schlafe ein Kind 9 Stunden, sitze 9 Stunden, stehe 5 Stunden und bewege sich nur eine Stunde. Das seien alarmierende Daten. Andere Untersuchungen zeigten, dass gut 22 % der Kinder und Jugendlichen gänzlich inaktiv sind. Im Erwachsenenalter kommen noch ein paar dazu, so dass es rund 33% sind.

 

Herr Clasen unterstützte die Dramatik dieser Aussagen durch das Aufzeigen von langfristigen gesundheitlichen Folgeproblemen wie Diabetes, Übergewicht oder Adipositas und die hieraus entstehenden Folgekosten. Sorgen bereiteten vor alle diejenigen, die von sich aus keine Sportangebote aufsuchen würden. Hier sei der Zugang über den Sportunterricht vielversprechend, denn Sportunterricht erreiche alle Kinder und Jugendlichen, also auch die, die durch soziale oder andere Faktoren nicht ausreichend an Angeboten außerhalb der Schule partizipieren würden.

 

Professor Weisser nannte auf die Frage: Wie muss der Sportunterricht gestaltet sein? die Parameter: Bewegungsintensiv, abwechslungsreich bei mindestens drei Aktivitäten in der Woche. Die Tendenz zu 60 oder 90 Minutenstunden sei in dieser Richtung kontraproduktiv. Noch besser wäre es natürlich täglich einen Belastungsreiz setzen zu können.

 

Frau Jöhnk von der Landesschülervertretung stellte fest, dass die Bedeutung von Bewegung, Spiel und Sport den Schülerinnen und Schülern in der Regel nicht bekannt sei. Das würde so nicht vermittelt. Konfrontiert mit einer Untersuchung von BÖS in 5. und 6. Klassen des Gymnasiums, nachdem nur 4 % der Mädchen angaben auch zu schwitzen und der Frage: „Ist Schwitzen uncool?“ sagte sie spontan, dass Schwitzen völlig uncool sei. Viele Mädchen würden in Sorge um das Makeup und auch aus Gründen von weiblicher Peergroup und der Wirkung auf Jungen es vermeiden, zu schwitzen. Die Sportstätten seinen allerdings häufig, was das Duschen beträfe, nicht angemessen gestattet. Sie erlebe Sportunterricht allerdings auch als wenig abwechslungsreich und nicht gut ausbalanciert in Bezug auf die unterschiedlichen Interessen von Jungen und Mädchen.

 

Dr. Riecke-Baulecke hob hierauf die neuen Fachanforderungen hervor, die genaue Leistungserwartungen in der gesamten Vielfalt der Themen beschreiben würden. Beispielsweise sei die Schwimmfähigkeit in den Fachanforderungen als verbindliches Ziel festgeschrieben.

Dem Missstand, dass gerade in der Primarstufe viele Lehrkräfte ohne Fakultas Sport unterrichten würden, begegne das IQSH durch spezielle Fortbildungsangebote für diese Zielgruppe, die sehr gut nachgefragt würden.

 

Frau Erdmann betonte, dass über alle Fraktionen hinweg das Thema Bedeutung von Sport noch ausbaufähig sei, wenn auch im Grundsatz Einigkeit darüber herrsche. Dem bildungspolitischen Missstand, dass nur jedes zweite 10jährige Kind schwimmen könne, müsse begegnet werden. Hier seien auch die Kommunen gefordert, was die Bereitstellung von Schwimmstätten beträfe. Allerdings sei die Haushaltlage des Landes angespannt und durch die Schuldenbremse erheblich eingeschränkt. Die Kooperation mit Vereinen sei als eine Möglichkeit auszubauen.

 

Auf die Frage, wie Fortbildungswünsche und –bedarfe von Kolleginnen und Kollegen einerseits und die Möglichkeit zur Nachfrage andererseits besser in Deckung gebracht werden können, stellten Frau Erdmann und Dr. Riecke-Baulecke das Ziel der Landesregierung, die Unterrichtsversorgung zu sichern, als prioritär heraus. Dadurch seien die Schulleitungen, was die Freistellung von Lehrkräften zu Fortbildungsveranstaltungen, wie z.B. dem Sportlehrertag, eingeschränkt. An diesem Umstand können man zur Zeit wenig ändern.

 

Notwendig erschien allen eine Bildungsdebatte zu führen, die die Fokussierung auf sogenannten „Kernfächer“ (Deutsch, Mathe, Naturwissenschaften, Englisch) relativiert und den musisch-ästhetischen Bereich wieder den Stellenwert einräumt, der ihm zukommt. Hier hätte sich wohl auch in Folge der Pisa-Ergebnisse eine Verengung der Bildungsdebatte ergeben, der man mit den auch hier in der Diskussion aufgezeigten Befunden entgegentreten müsse.

 

 

Achim Rix resümiert die Diskussion um „Sportunterricht – so wichtig wie nie! mit einem sportlichen Bild:

Der Ball rolle von alleine den Berg hinab. Man würde aber Menschen brauchen, die ihn wieder hinauf bringen. Unterstützen Sie dieses Anliegen!

 

 

[1] vgl. hierzu die Veröffentlichungen des RKI sowie http://edoc.rki.de/oa/articles/relsecOPHagsg/PDF/29Z1rP6o7dbw.pdf

[2] vgl. Präsentation Dr. Krug, 29.9.2015

[3] vgl. Präsentation Volker Clasen Techniker Krankenkasse 29.9.205

[4] siehe Techniker Krankenkasse

Achim Rix verteilt den „Blumenstrauß des Sportlers“ – ein DSLV-Handtuch